Eine weitere Katze kommt ins Haus

und/oder

Die Aufnahme einer verstörten oder traumatisierten Katze

 

 

Sowohl für die neue als auch die alte(n) Katze(n) kann eine Zusammenführung großen Stress bedeuten, das sollte man als Mensch und Halter auf keinen Fall unterschätzen.

 

Die bereits im Haushalt lebende Katze betrachtet ihr Zuhause als sicheren Platz mit alle seiner Routine, seinen vertrauten Gerüchen und Familienmitgliedern. Viele Katzen haben Probleme damit, wenn sich ihr vertrautes Umfeld plötzlich ändert, reagieren mit Angst oder auch Aggression (die wiederum Angst als Ursache haben kann), manchmal kommt es sogar zu Unsauberkeit oder Zerstörungswut.

 

Die neue Katze hingegen muss sich vollkommen umstellen, sie wurde aus ihrer bisherigen vertrauten Umgebung gerissen, mag sie auch noch so schlecht gehalten worden sein. Auch hier stürzen viele neue Eindrücke auf die Katze ein: neue Menschen, neue Umgebung, neue Gerüche - und neue Artgenossen.

 

Um beiden Parteien, der "neuen" wie auch der "alten Katze", ein möglichst stressfreies Miteinander zu ermöglichen und erste Kontaktaufnahmen nicht in großem Kampfgetümmel ausarten zu lassen, sollte wenn irgend möglich bereits vor dem Einzug der neuen Katze ein Austausch der Gerüche erfolgen. Dazu kann man ganz einfach ein altes Handtuch oder ein Stück altes Bettlaken nehmen, mit diesem die neuen Katze sanft abreiben und dieses Stoffstück dann mit nach Hause nehmen (auch umgekehrt sollte von der bereits im Haushalt lebenden Katze eine Duftprobe mitgenommen werden).

 

Schlechte Haltung, Misshandlungen, Vernachlässigung, Unfälle, ausgesetzt worden zu sein – all das kann eine Katze schwer traumatisieren und ihr Vertrauen in uns Menschen erschüttern. Umso wichtiger ist es, bei der Aufnahme einer solchen Katze einige Punkte zu beachten.

 

Ganz wichtig ist Geduld, Geduld und nochmals Geduld, zusammen mit viel Liebe und Verständnis für die Katze!

 

Die ersten Tage sollte die neue Katze separiert in einem Raum gehalten werden - dies sollte nicht mit menschlichen Maßstäben bewertet werden, es geht nicht ums Wegsperren sonder vielmehr um ein sanftes Ankommen. In diesem separaten Raum gibt es 

 

  • ein Klöchen (bitte auf jeden Fall ohne Haube!),
  • einen Futterplatz (nicht in unmittelbarer Nähe zur Toilette), 
  • einer Wasserstelle in etwas Abstand zum Futterplatz,
  • Rückzugsmöglichkeiten, die auf jeden Fall angeboten werden sollen! Hierfür reicht z.B. ein Karton, gepolstert mit einem Kissen, ggf. halb abgedeckt mit einem Tuch und mit einem großen Sichtfenster an der Seite. Mit einem guten und für die Katze sicheren Rückzugsort wird die Gefahr, dass sie sich unter ein Möbelstück verkriecht und dort tagelang verharrt, wesentlich geringer. Eine Alternative ist, diese Möbelstücke zu verbarrikadieren - aber nur unter gleichzeitigem Angebot einer anderen Rückzugsmöglichkeit wie oben beschrieben!

 

Eine Bachblütenmischung kann in solchen Fällen übrigens großartige Dienste leisten!

 

In ihrem Rückzugsort darf die Katze nicht gestört werden. Bitte auf gar keinen Fall dauernd nachschauen und ansehen – Blickkontakt bedeutet Drohung. Am besten verhält man sich selbst ganz normal und „ignoriert“ die Katze erst einmal. Das hört sich für uns Menschen hart an, gibt der Katze aber die Möglichkeit, selbst das Tempo zu bestimmen, mit dem sie Kontakt aufnimmt. Sie muss unter Umstän en zuallererst wieder lernen, dass ihr in ihrem neuen Zuhause keinerlei Gefahr droht. Gerade ein schwer erschüttertes Vertrauen baut sich nur langsam wieder auf und man darf nicht ungeduldig werden. Also niemals mit Gewalt hervorzerren oder festhalten!

 

  • lebt die Katze allein in ihrem neuen Zuhause, dann kann die Tür offen bleiben, gibt es jedoch bereits weitere Tiere/Artgenossen im Haushalt, sollte man die Zusammenführung unbedingt auf einen späteren Zeitpunkt verlegen
  • erste Erkundungsgänge werden in der Regel nachts unternommen, da sich die Katze zu dieser Zeit, wenn ihre Menschen im Bett liegen, sicher und unbeobachtet fühlt
  • um dem neuen Familienmitglied die Gewöhnung an seine neuen Menschen zu erleichtern, kann man getragene Kleidung in das Katzenzimmer legen. So kann die Katze ganz in Ruhe den neuen Geruch kennenlernen
  • Tiere "lesen" aus Exkrementen, diese haben im Tierreich eine ganz andere Bedeutung als bei uns Menschen - man sollte daher nach einigen Tagen den Inhalt der Toiletten ab und an auf einem alten Teller o.ä. in das jeweils andere Zimmer legen, um weitere Gerüche auszutauschen
  • generell wirken sitzende oder liegende Menschen viel weniger bedrohlich

 

Sie als neuer Halter oder Halterin möchten Ihrem neuen Familienmitglied sicherlich gern die Furcht nehmen und es trösten. Da es hier aber immer wieder zu Missverständnissen kommt und es bisher leider noch kein Nachschlagewerk "Mensch-Katze/Katze-Mensch" gibt, hier einige Tipps und Ratschläge:

 

  • Katzen niemals bedrängen, sondern von selbst kommen lassen. Eine Katze, die selbst bestimmen kann, wann sie Kontakt aufnehmen möchte, wird schneller "auftauen"
  • niemals eine Katze gegen ihren Willen hochnehmen, denn die fehlende Bodenhaftung unter den Pfoten erzeugt nur noch mehr Angst
  • niemals eine Katze gegen ihren Willen festhalten, auch nicht zum Trösten. Bei Menschen hat Körperkontakt eine ganz andere Bedeutung als im Tierreich, hier wird nur Beute "festgehalten" und entsprechend fühlt sich Ihre Katze
  • niemals starren Blickkontakt halten, dies ist auf "kätzisch" eine echte Drohgebärde. Besser blinzeln und immer wieder mit dem Blick umherschweifen. Auch ein herzhaftes (leises) Gähnen signalisiert Entspannung
  • setzen Sie sich immer wieder mal ins Zimmer Ihrer Katze und reden leise mit ihr, so gewöhnt sie sich an Ihre Stimme und kann lernen, dass von Ihnen keine Bedrohung ausgeht

 

Sind nun einige Tage vergangen und die neue Katze hat sich sichtlich eingelebt, wird nun die Tür zu ihrem Rückzugsort einen Spalt breit geöffnet. Das Zusammentreffen der Tiere sollte auf jeden Fall einen positiven Anstrich bekommen, halten Sie also Leckerlies bereit, die sie bei entspanntem Verhalten geben. Verläuft die erste Kontaktaufnahme positiv, wird bei jedem Mal die Tür ein Stück weiter geöffnet. Nun sollte auch Futter angeboten werden.

 

Die Funktionskreise "Jagen/Spiel" und "Fressen" sind in der Natur nicht aggressionsbehaftet - das würde die Art letztendlich gefährden. Daher macht man sich in der Verhaltenstherapie diese beiden Funktionskreise zunutze, um eine entspannte Atmosphäre zu schaffen. Beide Katzen lernen so, dass das Aufeinandertreffen eher positive (Futter, Leckerlies, Lob) als negative (Aggression, Angst) Seiten hat. Zu Anfang kann man sich noch dazwischen setzen, mit der Zeit sollte der Abstand der Futternäpfe jedoch immer weiter verringert werden, bis alle Katzen nebeneinander fressen.  

Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist das Lob! Die Verhaltenstherapie arbeitet mit diesem Instrument, um der Katze deutlich zu machen, wann sie erwünschtes Verhalten zeigt. Die Katze hingegen wird sehr schnell lernen, dass es sich für sie lohnt, auf eine bestimmte Art zu reagieren, weil sie belohnt wird. Unerwünschtes Verhalten dagegen wird in der Regel ignoriert, nur in wirklich drastischen Fällen greift man zur anonymen Bestrafung.

 

Ina Baum
Tierpsychologin und Verhaltenstherapeutin Katzen